Entdecke jetzt mein neustes Buch!

Der einsame Schneemann

Es war bereits November und alle warteten auf den Winter. Und dann war es endlich so weit: Sanft fielen die ersten dicken weißen Schneeflocken vom Himmel und verwandelten über Nacht alles in eine weiße Winterwunderwelt. Am nächsten Morgen erfreuten sich die Kinder an der Schneepracht und begannen sofort eifrig, einen wunderschönen Schneemann zu bauen. Er sah sehr freundlich aus mit dem rot-blau gestreiften Schal um den Hals und der roten Mütze auf dem Kopf. Statt eines Besens drückten ihm die Kinder noch ein rotes Säckchen in seine dicke weiße Hand.

Da stand der Schneemann nun und schaute belustigt dem munteren Treiben zu. Die Kinder machten eine Schneeballschlacht, fuhren auf ihren Schlitten den Berg hinunter oder ließen sich lachend in den weichen Schnee fallen. Am Abend wurde es dann immer ruhiger, denn die Kinder gingen nach und nach wieder nach Hause in ihre warmen Stuben. Der kleine Schneemann blieb allein in der dunklen, kalten Winternacht zurück. Das machte ihn sehr traurig. Gelangweilt blickte er nach oben in den Himmel und beobachtete den Mond und die Sterne. Plötzlich kam ein großer Schlitten dahergefahren, gezogen von zwei braunen Rentieren. „Wow!“, dachte der Schneemann. „Da würde ich gerne mitfahren. Das wäre ein echtes Abenteuer und vielleicht fände ich ja unterwegs sogar Freunde.“ Tatsächlich hielt der Schlitten genau vor ihm an. Wer ihn lenkte, konnte der Schneemann nicht richtig erkennen, denn die Gestalt war ganz in Schwarz gekleidet und hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Der Schlittenlenker winkte den Schneemann zu sich heran. Und der Schneemann zögerte nicht lange, obwohl ihm nicht ganz wohl bei der Sache war. Er stieg auf den Schlitten und sofort ging die Fahrt weiter. Und dann hob der Schlitten auch noch ab, hinauf zum Himmel. Nun wurde dem Schneemann Angst und Bange, gleichzeitig war er aber auch neugierig.

Als sie schon ziemlich weit von der Erde entfernt waren, wurde es plötzlich hell und es war ihm, als ob auf jedem Stern ein Schneemann säße. Die Sterne zwinkerten ihm zu und der Mond lachte und leuchtete schöner als je zuvor. Da wusste der kleine Schneemann, dass er nicht allein war, und er genoss den Ausblick, die Ruhe und den Frieden. Als wie aus dem Nichts plötzlich ein zweiter Schneemann neben ihm saß, wäre er vor Schreck fast vom Schlitten gefallen. Der andere Schneemann sah ihn freundlich an und verlangte sein rotes Säckchen. „Ich möchte eine Überraschung für die Kinder hineinpacken“, erklärte er. Leider konnte der Schneemann nicht sehen, was der andere in das Säckchen hineinlegte. Geschlossen bekam er es zurück. Dann lenkte der Kapuzenmann den Schlitten wieder Richtung Erde.

Der Schlitten hielt genau dort, wo der Schneemann eingestiegen war. Er kletterte hinaus und stellte sich wieder auf seinen alten Platz. Doch nun fühlte er sich nicht mehr traurig und allein, denn er wusste jetzt, dass dort oben noch viel mehr von ihm waren, er konnte sie nur nicht sehen. Sein neuer Freund stellte sich zu ihm und sie unterhielten sich die ganze Nacht hindurch und hatten viel Spaß zusammen.

Am nächsten Morgen lachte die Sonne den beiden kleinen Schneemännern mitten ins Gesicht. Als die Kinder kamen, waren sie erstaunt und erfreut über den zweiten Schneemann, aber auch ein bisschen traurig, denn sie konnten bereits sehen, wie die beiden unter den warmen Sonnenstrahlen immer kleiner wurden. Der kleine Schneemann war trotzdem noch fröhlich, denn er wusste, wenn er nicht mehr da war, dann würde er oben bei den Sternen wohnen, zusammen mit den anderen Schneemännern. Und vielleicht würde er an einem anderen kalten Wintertag noch einmal zurückkommen, noch größer und schöner als zuvor.

Ein paar Stunden später war von den beiden Schneemännern nicht mehr übrig als zwei kleine Pfützen. In einer davon lagen eine Mütze, ein rot-blau gestreifter Schal und das rote Säckchen. Als die Kinder es öffneten, fanden sie darin eine kleine Kuschelsonne aus Stoff, einen kleinen Kuschelmond und einen kleinen Kuschelstern.

Veröffentlicht am: 
11/5/2018
Autor:
Antje Wäschle