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Die Weihnachtslokomotive

An einem verschneiten Abend, es war zwei Tage vor Heiligabend und schon dunkel, geschah etwas merkwürdiges. Als Lennard, ein kleiner Junge, im Stadtgarten stand, Hand in Hand mit seiner großen Schwester, erschien wie aus dem Nichts eine Lokomotive. Sie war hell erleuchtet und grasgrün, bis auf den Dampfkamin. Der war knallrot und stieß ab und zu den heißen Dampf sichtbar in den Himmel. Lennard und seine Schwester waren erschrocken und gleichzeitig fasziniert über diesen magischen und sonderbaren Anblick. Sie konnten sich nicht erklären, warum diese Lokomotive da war und wie sie hergekommen ist. Es versammelten sich immer mehr Menschen, um sie zu bestaunen. Plötzlich öffnete sich die Tür. Eine alte Frau erschien. Sie lächelte die beiden an und winkte sie zu sich her.

„Oh, die möchte, dass wir zu ihr kommen.“, flüsterte Lennard seiner Schwester zu. Diese zögerte, doch Lennard konnte seine Neugierde nicht zurückhalten und lief los. „Lennard, warte doch!“ Die Schwester lief ihm aufgeregt hinterher. „Wer bist du?“, fragte Lennard die Frau, die noch immer lächelte.

„Hallo, ich heiße Marie.“

„Und was machst du hier?“

„Ich sammle Weihnachtswünsche, um sie zu erfüllen.“

„Oh cool. Und du erfüllst alle Wünsche? Ich wünsche mir einen neuen Fußball.“

Nein, nein, das geht nicht, ich erfülle nicht alle Wünsche, nur die ganz besonderen.“

Lennards Schwester, die ihren Bruder schnell eingeholt hatte, fragte skeptisch. „Was sind denn besondere Weihnachtswünsche?“

„Das sind die, welche ganz tief aus deinem Herzen kommen.“, erwiderte Marie geheimnisvoll.

„Oh, dann wünsche ich mir ganz viel Zeit zusammen mit meiner Mama und meinem Papa.“, rutschte es Lennard heraus. „Das ist ein schöner Wünsch.“, antwortete Marie kopfnickend, „der ist wirklich besonders.“

„Und ich wünsche mir, dass der Wunsch von Lennard in Erfüllung geht, denn dann habe ich nicht mehr so viel Verantwortung, die ich tragen muss.“, fügte die Schwester nachdenklich hinzu.

„Du bist also viel mit Lennard zusammen?“

„Ja, klar, unsere Eltern sind beide immer weg zum Arbeiten und ich muss dann schauen, dass es Lennard gut geht. Ich mag meinen Bruder sehr, doch manchmal wird mir das eben zu viel. Naja,  aber irgendwoher muss das Geld ja kommen, von dem wir leben.“

„Ja, das stimmt.“ meinte Marie nachdenklich.

Nun kamen immer mehr Menschen neugierig näher. Und Marie bekam viel zu tun, um all die besonderen Wünsche zu erfüllen.

Dazu gehörten übrigens keine Spielsachen oder Computerspiele, oder was man sich sonst so wünschte, was einen unter dem Weihnachtsbaum als Päckchen anstrahlte. Die besonderen Dinge, das waren Zeit, Glück, Zufriedenheit, Gesundheit, für andere da sein, Freundschaft und Liebe.

Marie und die kleine Lokomotive standen noch bis Heiligabend im Stadtgarten, um all die Wünsche zu erfüllen, bis sie, so wie sie gekommen waren, wieder im Nichts verschwanden.

Doch seit diesem Tag erblühte in der Stadt neues Leben. Wie von Zauberhand erfüllten sich alle besonderen Wünsche und damit veränderte sich nicht nur das Leben von Lennard und seiner Schwester.

Fröhlichkeit, Hilfsbereitschaft und Liebe breitete sich in Windeseile aus. Andere Dörfer und Städte wurden davon angesteckt, so dass Marie mit der kleinen Lokomotive woanders an Weihnachten bald keine Wünsche mehr erfüllen musste. Denn die Menschen erschafften sich irgendwann automatisch viele besonderen Dinge einfach selber. Zuvor hatten sie nur vergessen, wie das geht.

Und sollte das Feuer der besonderen Dinge plötzlich erlöschen, dann, ja dann taucht die kleine Lokomotive mit Marie vielleicht irgendwo mal wieder auf, um dieses Feuer neu zu entfachen.

Veröffentlicht am: 
22/12/2019
Autor:
Antje Wäschle